66
Memel, the 15th,
November 1900
Received
MEMEL16.NOV.00
To the honorable
Mr. Mayor Cranz ,here.
As per the enclosed
document, the local police asked me to leave the city within three days. I have
finished training as a watchmaker, have a workshop and a small store, and have
lived here for about ten years.
With the well-known
generosity of Your Honor I am convinced that this provision and especially this
extremely rigorous rule to leave the city within three days has been initiated
by Your Honor. In any case, such a rigorous action has been unknown so far.
I am gladly ready to
leave the city within a short period of time; however, I request that you
extend this period until Spring. Suddenly leaving the city would be my complete
ruin since it is impossible to move my businesses in this time. Apart from
this, I ask you humbly to also graciously consider the following circumstances.
Because I made some
written notes for an emigrant, I am entangled in a criminal procedure by the
public prosecutor's office, due to this matter of promotion of prohibited
emigration for an emigrant, and a relative of mine has deposited 3000 Marks at
the court of record for my bail to release me pending trial. Since I assume the
proceedings will probably begin soon, I therefore ask, out of consideration for
the depositor, to allow my residence [in the Province, i.e., to not expel me
from East Prussia] before the resolution of the matter, or else the depositor
would be forced to withdraw the sum, [and if that happened] I could be placed
again in detention pending trial.
In
that I hope that your honor will grant my request.
German:
66
Memel den 15 Novbr. 1900
Eingegangen
MEMEL16.NOV.00
An Sr. Hochwohlgeboren
Herrn Landrath Cranz ‚ Hier.
Lt. Beiliegen dem Schriftstück wurde ich von der hiesigen Polizei
aufgefordert, binnen drei Tagen die
Stadt zu verlassen. Ich bin ausgelernter Uhrmacher. habe eine Werkstatt und
einen kleinen Laden und wohne hier schon seit ca. 10 Jahren.
Bei dem allbekannten humanen Sinn
Ew. Hochwohlgeboren bin ich überzeugt, dass diese Massregel . besonders
aber die äusserst rigorose Bestimmung binnen drei Tagen die Stadt zu verlassen
von Ew. Hochwohlgebor herrührt. Jedenfalls ist solch ein rigoroses Vorgehen bis
jetzt unbekannt gewesen.
Ich bin gerne bereit, die Stadt binnen einer kurzen Frist bestimmt zu verlassen doch
gestatte mir die gehorsamst Bitte, diese Frist bis zum Frühjahr zu verlängern.
Plötzliches Verlassen der Stadt wäre gleichbedeutend mit meinem vollständigen
Ruin, da meine Geschäfte unmöglich in dieser Zeit abwickeln kann Ausser dem
bitte ich gehorsamst noch Folgendes gütigst in Betracht ziehen zu wollen.
Dadurch, dass ich für einen
Auswanderer einige schriftliche Notizen machte wurde ich von der
Staatsanwaltschaft in ein Strafverfahren wegen Begünstigung unerlaubter
Auswanderung verwickelt Die Sache schwebt noch und hat ein Verwandter von mir
Mk. 3 0 0 0 beim Gericht deponirt. um mich die Untersuchungshaft zu entziehen,
Wie ich annehme, wird die Verhandlung wohl bald eröffnet und darf ich daher
wohl bitten, schon aus Rücksicht für den Deponenten. mir bis zur Erledigung der
Sache den Aufenthalt zu gestatten da der Deponent sonst gezwungen wäre, die
Depotsumme zurückzuziehen sodass ich mich wieder in Untersuchungshaft werde
begeben müssen.
Indem ich hoffe. dass Ew. Hochwoh1geboren meiner Bitte gütigst
stattgeben werde.
zeichne ganz gehorsam